Der Canadian: Bahnfahrt von Vancouver nach Toronto

Teil 1: Auftaktschwierigkeiten

Nach dem wir wieder in Vancouver gelandet sind, mussten wir für unser Riesengepäck ein Taxi organisieren. Normalerweise kein Problem, aber diesem Tag gestaltete sich dies am Fähranleger etwas schwierig. Der Regen ist ein großer Freund einer Kleinfamilie mit 3 Koffern, 1 Kraxe , 1 Buggy und 3 mal Handgepäck, sowie den 3 Reisenden. Da freut sich jeder Taxifahrer uns mitzunehmen. Nach dem kein Taxi bei Ankunft vorhanden war, hat uns eine ältere Frau in der Warteschlange vorgelassen und wir konnten nun das 1. ankommende Taxi Richtung Vancouver Central Station nehmen, wo der Canadian abfährt.

Wir hatten einen Zeitpuffer von 3,5 Stunden eingeplant, um vom Fähranleger bis zum Zug einsteigen zu können. Die ersten 45 Minuten blieben im Stau von Vancouver hängen. Danach ließ uns der Taxifahrer an der falschen Train Station raus, sodass wir wieder eine halbe Stunde verloren haben.

Dank der Hilfe von zweier Kanadiern haben die richtige Abfahrtsstation ausfindig machen können.

Wir dachten nun, nur ab ins Taxi und los. Pustekuchen.

Eine Vielzahl von Taxis wollte uns aufgrund des vielen Gepäckes nicht mitnehmen, nachdem Thomas einen Taxifahrer überreden konnte, ein Van Taxi zu rufen, dachten wir, in wenigen Minuten kommt das Taxi und wir sind bald am Ziel angelangt.

Der Countdown lief runter und es verstrich wieder kostbare Zeit. Der andauernde Regen hob natürlich nicht die Stimmung und die ersten Reiseführer fielen bei dem ganzen Hin und Her in die Pfütze. Zum Glück rette Thomas diese und sie wurden nicht all zu nass.

Der indische Taxifahrer kannte zum Glück den richtigen Bahnhof und wir waren nach kurzer Fahrt am Ziel angelangt.

So nun stand die nächste Herausforderung bevor. Einchecken des Gepäcks. Der Zeitfaktor war auch nicht zu verachten und Jonas machte uns auch ganz deutlich, dass er Hunger hat und es auch kein Zeitaufschub für die Nahrungszubereitung- und übermittlung gibt.

Der 1. Koffer kein Problem. Beim 2. Zu viel Gepäck, also um packen rund 6 Kilo aus dem Koffer rausholen und nun die Fragen: wie verteilen. Lösung: In die Kraxe, also einige Reiseführer verstauen und ab zu Wiegen. Noch immer 3 kg zu viel. Also musste wieder die nächste Lösung herbei.

Nun wurden Medikamente aus Jonas´ Koffer herausgeholt und auf einen Rucksack verteilt.

Wieder zum Wiegen. Zum Glück Maximalgewicht unterboten und wenn wir noch mehr rausgeholt hätten, wären wir auch um die 40 Dollar, rund 28 Euro für das Übergepäck herumgekommen.

Bei dem ganzen Stress hatten wir keinen Nerv mehr noch weiter um zu packen, um das Geld zu sparen.

Unser gesamter Packvorgang wurde natürlich auch noch schön von all den wohlhabenden Reisenden mit ihren ordentlich organisierten kleinen Trolleys beobachtet. Insbesondere die asiatischen Reisenden fanden das aufgeregte Umgepackte wohl höchst sonderbar…

Nach dem Einchecken war unser einziger Gedanke (wir waren inzwischen am Limit und völlig verschwitzt), bloß kein Stress mehr beim Handgepäck – denn wir hatten noch einen Koffer und einzelne weitere Gepäckstücke dabei (allen voran Jonas´ Fresskiste mit allen Babygläschen –bombenschwer). Denn wir wussten bereits, dass wir mit unserer upper und lower birth wirklich wenig Platz zur Verfügung haben würden. Aber hier gab es kein Problem.

Wie wenig Platz wir wirklich zur Verfügung hatten, sahen wir erst an Bord. Man sitzt tatsächlich dem Nachbarn fast auf dem Schoß. Und man hat zwei Sitze und keinen Stauraum. Und nach all der Aufregung war der einzige Gedanke: Wie soll man diese vier Tage mit einem Kleinkind an Bord überstehen und warum haben wir das unbedingt machen wollen (denn der Canadian war vor allem Nicoles Traum und jetzt schien alles einfach nur anstrengend zu sein)?

Schlussendlich schliefen Koffer, Gepäckstücke, Kind und wir alle im Bett. Alles Weitere sollte sich in den nächsten Tagen zeigen…

Teil 2: Der Canadian – warum ist das Reisen hier so besonders ist

Wie ist es denn nun wirklich- das Reisen im berühmten Canadian? Beim Aufwachen war es einfach nur ein Zug. Eine Strecke, die zu überwinden war, schwankend und auf sehr begrenztem Platz. Die Landschaft war nett, aber unaufregend. Was soll also so besonders und unvergesslich sein?

Zugegeben, die schwankende Fahrt im Bett mit Vorhang ist recht gemütlich. Der Kleine hat bestens durchgeschlafen. Und dann ist es wohl viel die Atmosphäre, die das Reisen im Canadian so besonders macht. Es sind viele Menschen mit den unterschiedlichsten Nationalitäten und aus den verschiedensten Gründen unterwegs und alle – wirklich alle, selbst die sonst oft so zurückhaltenden Asiaten scherzen mit Jonas und man erzählt sich von den jeweiligen Reisezielen. Am Nachmittag kam eine Folksängerin an Bord. Das gehört auch zum Canadian, dass Sänger sich bewerben, um gegen Fahrt, Unterkunft und Essen dort zu spielen. Irgendwie brachte das nochmal eine besondere Stimmung in die Fahrt.

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Vor Jasper veränderte sich die Landschaft und wurde immer bergiger – die Rocky Mountains begannen. Leider war es neblig, so dass man oft die Bergspritzen nicht sehen konnte.

Das Essen ist wirklich ganz großartig und am Abend war ein wunderschöner Sonnenuntergang vor einer einmaligen Landschaft im Panoramawagen zu betrachten. Abgerundet wurde das ganze dann mit einem quasi Privat-Winetasting mit unserem Lieblingsbarkeeper – ebenfalls im Panoramawagen vor wunderschöner Kulisse.

Interessant waren die Gespräche mit Passagieren und die Beweggründe jedes Einzelnen, diese Wegstrecke nicht mit dem bequemen und schnellen Flugzeug zu überwinden, sondern im wackligen Zug und dem Verzicht auf Luxus.

Das Personal und unsere besondere Situation des Reisens mit Kleinkind

In ganz besonderer Erinnerung wird uns – wir schreiben den Bericht nach dem Personalwechsel in Winnipeg nach drei Tagen – immer das besondere Personal des Canadian bleiben.

Da ist zunächst David, der Zugbegleiter, mit seiner mehr als offenen und warmherzigen Art, der von Beginn an die Unterkunft so komfortabel wie möglich gemacht hat und immer tolle Ideen hatte, wie er den Aufenthalt noch angenehmer gestalten konnte. Das ging so weit, dass er zuletzt den Waggon umorganisiert und Passagiere verlegt hat, so dass wir mit Jonas ein ganzes 6-Personen Abteil für uns allein hatten. Ein Tisch wurde zudem eigens für uns aufgebaut. Mit Jonas machte er viel Spaß und spielte ihm Ständchen mit der Mundharmonika, so dass Jonas die helle Freude hatte sobald David auftauchte. Und wenn Jonas schlief, konnte wir so auf den Sitzen nebenan reden, etwas trinken und am Blog schreiben.

Dann Collin, der auf eine warmherzige und wahnsinnig witzige Art das „Activity-Abteil“ leitete und zugleich die Bar, der immer wieder seine Späße mit Jonas machte, unsere Flaschen spülte, Jonas Spielzeug brachte und uns den Wein bis in unser Abteil brachte.

Einfach zwei wirklich tolle, engagierte, familienfreundliche und humorvolle Mitarbeiter!

Und nicht zuletzt Natalie, die im Restaurant mit Engagement und Witz die Essen gestaltete und den Koch dazu brachte, Jonas Gläschen zum Essen zu erwärmen und mit unserem mitgebrachten Pürierstab zu pürieren. Zudem bekamen wir einen eigenen Familientisch im wirklich ziemlich vollen Speiseraum des Zugs.

Nach dem Wechsel des Personals können wir nur sagen, dass uns vor allem diese drei durch ihre liebe Art über die Tage wirklich ans Herz gewachsen sind und sie uns unvergessliche Momente bereitet haben, die bereits nach so kurzer Zeit stets ein Highlight unserer Reise sein werden. Sie fehlen uns bereits jetzt.

 

Tag 3: Canadian

Inzwischen haben wir das Zeitgefühl und das Gefühl für Wochentage völlig verloren. Das fehlende Zeitgefühl liegt daran, dass wir auf der Strecke zweimal in eine neue Zeitzone kamen und die Uhr jeweils um eine Stunde verstellt werden musste. Das fehlende Gefühl für Tage führte dazu, dass wir am dritten Tag davon ausgingen, dass dieser Tag der letzte im Zug sein würde und wir nach der Nacht in Toronto ankommen. Nach einem kurzen Schreck (reichen Babygläschen und Windeln?) genossen wir die weitere Zeit an Bord jedoch sehr.

Der dritte Tage endete in einem Beisammensein von einigen Leuten in der Bar mit Sarah, der Folksängerin, die dort eine weitere Stunde spielte. Zuletzt sangen selbst unsere Taiwanesen beim letzten Lied mit – Musik ist tatsächlich Kontinente verbindend!

Mitten in der Nacht erreichten wir Winnipeg und unser liebgewonnenes Personal des Zugs verließ den Zug, um die kommenden sechs Tage zu Hause verbringen zu können.

Tag 4: Stehen und warten – und rasen

Nach dem Wechsel des Personals war es fast, als würde ein Teil der Familie fehlen. Leider war das neue Personal, vor allem das im Restaurant, ganz anders als das vorherige: Jonas durfte nicht mehr an unserem Tisch im Gang stehen und auch nicht mehr im Gang krabbeln. So das wir im Ergebnis nicht mehr gemeinsam essen konnten, sondern wir in Schichten essen mussten und Jonas nicht mehr dabei war.

Hier waren uns die vielen Passagiere, die Jonas als ruhig und entspannt erlebt haben, eine wirklich große Stütze. Ihnen war Jonas über die letzten Tage so ans Herz gewachsen und eine willkommene Abwechslung im „Zugalltag“, dass sie das selbst gegenüber dem Personal äußerten. Alle waren durchweg freundlich und wirklich alle hatten Spaß mit Jonas. Einer sagte schließlich: „Your son is the most popular passager on this train“…

Nach vier Tagen kennt man auch die meisten der Passagiere. Da gab es Lynn, ein unglaublich interessierter Mensch, die in hohem Alter einmal ihr eigenes Land ebenerdig erleben wollte und sich mit Gehstock durch den Zug bewegte. Der Sohn, der seinem 90jährigem Vater die Reise schenkte. Vier Australierinnen, die 7 Wochen ohne ihre Ehemänner durch Kanada reisten und ihren Spaß hatten. Der Kanadier mit Flugangst, die weitgereisten Schweizer die nach einer Transsib-Reise von Zürich bis Peking eine weitere Zugreise machten. Eine Kanadierin aus Vancouver, die schon immer mit dem Canadian reisen wollte und die ihren Mann in Toronto treffen wollte. Die Damen, die in Rente ging und mit ihrer Tochter diese Reise machte und den Mann zu Hause ließ, da dieser aus beruflichen Gründen viel reisen musste. Die Engländerinnen, die dachten, in einen Luxuszug zu geraten und dann behaupteten, im Bunker zu schlafen. Der Koch aus Cuxhafen, der seit zehn Jahren in Kanada lebt und sein Deutsch vergessen hatte, obwohl man merkte, wie gerne er sich mit uns auf Deutsch unterhalten hätte.

Leider hatten wir bereits auf dem Weg nach Winnipeg oft halten müssen, um andere Züge vorbei zu lassen. In weiten Teilen ist die Strecke quer durch Kanada wohl einspurig. Das führte mindestens zu einer Verspätung von 6 Stunden. Die Australierinnen wurden an einer der nächsten Stationen nach Toronto ausgeflogen, wo sie einen neuen Flug nach Australien für 2500 $ (ca. 1800 Euro) kaufen mussten.

Wenn der Zug jedoch freie Fahrt hatte, so raste er auf den Schienen dahin und hüpfte besorgniserregend.

Wir könnten noch endlos Geschichten aufschreiben. Aber genau das ist es, was den legendären Canadian ausmacht.

 

 

 

 

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